Wir schreiben den 06. November 2019 und heute geht unser langersehntes Abenteuer endlich los. Ein letztes Mal in Deutschland aufzuwachen, ist ein sehr komisches Gefühl und doch fühlt sich diese Ungewissheit, wo uns dieser Weg hinführen wird, so unglaublich gut und zugleich extrem befreiend an. Alles ist gepackt und erledigt. Naja, zumindest in meiner Traumwelt, denn Giulio lebt getreu nach dem Motto: „Alles auf den letzten Drücker erledigen“. Ja, auch heute an einem so ereignisreichen Tag, lässt er sich von nichts aus der Ruhe bringen und sucht entspannt, wenige Stunden vor Abflug, seine 7 Sachen heraus. Mein Backpack hingegen steht bereits seit mehreren Tagen, okay ich bin ehrlich, seit mehreren Wochen in der Ecke und wartet sehnsüchtigst auf den Abflug.
Einige Tage vor der Abreise hat sich der äußerst spontane Herr dafür entschieden, ein neues Macbook sowie eine neue Kamera für die bevorstehende Reise zu kaufen, jedoch kam der Kram bis jetzt noch nicht an. Naja, er hat ja noch ganze 7 Stunden bis zum Abflug!!! Angespannt räume ich mein Gepäck von einer Ecke in die andere und wühle gefühlt zum 10. Mal in unserer Dokumententasche umher, um sicher zu gehen, dass wir auch tatsächlich alles Wichtige dabei haben. Da ich ein leidenschaftlicher „Kontrollfreak“ bin, wird sich der Vorgang wohl noch einige Male wiederholen. Ich weiß nicht wohin mit mir und meinen Gedanken, denn so langsam steigt meine Aufregung. Mittlerweile ist 16:00 Uhr und die Kamera und das Macbook scheinen in weiter Ferne, jedoch glaubt Giulio fest daran, dass beides noch rechtzeitig ankommt. Ich bleibe jedenfalls skeptisch, mache es mir ein letztes Mal auf dem Sofa gemütlich und versuche noch ein wenig Schlaf zu bekommen.
„Ey, wie viele Unterhosen soll ich einpacken? Haben wir einen Nagelknipser dabei? Wo ist mein Rasierer? Hast du meinen Reisepass?“ Nein, diese Sätze klingen nicht wie ein schönes Schlaflied in meinen Ohren, vielmehr kann ich nicht aufhören meine Augen hin und her zu rollen, um somit zum Ausdruck zu bringen, wie unangebracht ich diese Spontanität finde. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist der Koffer nun endlich gepackt und startet mit stolzen 22 kg in Richtung WELT. Ja, 1 kg Puffer ist zu Beginn der Reise keine Meisterleistung. Allerdings befindet sich in Giulio’s Koffer extrem viel Equipment, welches wir unbedingt auf unserer Reise benötigen.
Während wir noch schnell einen letzten Snack á la Mama verschlingen, klingelt der ersehnte Postbote an der Tür. Er bringt doch tatsächlich 1 Stunde vor Abfahrt die zwei Pakete, welche beinahe dafür gesorgt hätten, dass wir uns schon vor Beginn der Abreise an die Gurgel gingen. Giulio ist nun happy und packt freudestrahlend seine Pakete aus und hat den Stress direkt wieder vergessen. Langsam treffen auch Giulio’s Eltern ein und gemeinsam mit meinem Papa machen wir uns auf den Weg zum Frankfurter Flughafen. Der Abschied geht meiner Mama leider ziemlich nah, sodass wir alle beschließen, dass es besser für sie ist, wenn sie uns nicht zum Flughafen begleitet. Auch mich nimmt der Abschied von meiner Mama mehr mit als zuvor angenommen und ich versuche mich irgendwie für sie zusammenzureißen. In der Vergangenheit verging selten ein Tag an dem wir uns nicht gesehen haben, es sei denn wir waren verreist und selbst dann haben wir immer etwas voneinander gehört. Allerdings war ich nie länger als 6 Wochen von Zuhause weg. Schon kommt der Moment in dem ich sie ein letztes Mal für unbestimmte Zeit in die Arme schließen kann.
So langsam wird es ernst…Um 22:20 Uhr werden wir gemeinsam in ein völlig neues und ungewisses Kapitel starten. Von Frankfurt werden wir über Moskau fliegen, bis wir letztendlich in den frühen Morgenstunden im wuseligen Bangkok landen werden. Mitten im alltäglichen Treiben des Frankfurter Flughafens irren nun tausend unterschiedliche Gedanken in meinen Kopf umher. „Wie lange wird unser Erspartes ausreichen? Was wird uns in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten erwarten? Werden wir als Paar auf einer so langen und zugleich ungewissen Reise harmonieren? Wird mich das Heimweh einholen? Wird mir ein „festes“ Zuhause fehlen?“ Ich schaue rüber zu Giulio, der gerade genüsslich seine letzte Butterbrezel und ein Schokobrötchen verschlingt und mich dabei mit seinem verschmierten, aber dennoch glücklichen Gesicht anlächelt. In diesem Moment bin ich mir sicher, dass es an der Zeit ist, all die Zweifel über Board zu werfen. Ich kann mich nur auf dieses Abenteuer einlassen, wenn ich all die negativen Gedanken beiseite räume. In meinem Inneren weiß ich, dass wir das perfekte Gespann aus Organisation und Spontanität darstellen. Mit niemand anderem würde ich solch einen Weg gehen wollen. Und ich weiß, dass es gut werden wird, sogar verdammt gut.
Die Flughafendurchsage reißt mich aus meinem Gedankenkarussell und katapultiert uns geradewegs in Richtung Realität und damit schnurstracks zur Sicherheitskontrolle. Mal wieder heißt es Abschied nehmen. Abschied von meinem Papa und Giulio’s Eltern. Ich weiß nicht, wie oft ich beschließe, dass ich mich nun ein letztes Mal zu ihnen umdrehen werde, doch immer wieder möchte ich noch einen weiteren letzten Moment einfangen und ganz fest in meinem Herzen einschließen.
Am Gate angekommen merke ich, dass Giulio nun auch ein wenig emotional wird, er weiß, dass ich Abschiede hasse, nimmt mich in den Arm und drückt mir einen liebevollen Schmatzer mitten auf meine Stirn. Mit schwerem Gepäck, aber dennoch unendlich viel Platz für viele unvergessliche Erinnerungen und Momente, heben wir ab Richtung Moskau. Den 6 stündigen Zwischenstopp versuchen wir mehr oder weniger erfolgreich mit einem kurzen Powernap zu überbrücken.
Nach insgesamt 21 Stunden Anreise kommen wir erschöpft und zugleich total aufgeregt im quirligen Bangkok an und strömen geradewegs in einem überteuertem Taxi Richtung Hotel…
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